Fehlgeburt – Ein Jahr danach | GASTARTIKEL

11.11.2020

Alex & Romy

Alex & Romy

Kinderwunsch-Coach und Paarberater

An dieser Stelle dürfen wir einen Ausschnitt aus dem Buch „Vertrauen nach Fehlgeburt“ von Rosa Koppelmann veröffentlichen. Rosa beschreibt darin das Gefühl von Dankbarkeit, wenn sie an ihre Fehlgeburten denkt.

Ein großes DANKE an Rosa für das bewegende Buch und den Mut, die sehr persönlichen Erfahrungen zu teilen.

Und auch danke an DICH, liebe Leserin, lieber Leser. Danke, dass Du genau in diesem Moment diese Worte liest und Dich darauf eingelassen hast, einen Umgang mit Deinem bisher unerfüllten Kinderwunsch zu finden.

27. Februar 2019 – Ein Jahr danach

Diese Woche ist es genau ein Jahr her, dass ich meine zweite Fehlgeburt bei mir zuhause erlebt habe.

Die Wehen setzen bereits am Nachmittag ein und nachdem meine damals fast 3-jährge Tochter dann gegen 20 Uhr schlief, machte ich es mir für die Geburt auf dem Sofa bequem. Mittlerweile bin ich wieder schwanger, aktuell in der 27. SSW und somit erstmal raus aus der „Gefahrenzone“.

Heute, ein Jahr nach meiner letzten Fehlgeburt, ist vor allem ein Gefühl zurückgeblieben, welches ich verspüre, wenn ich an meine letzte und auch an meine erste Fehlgeburt denke: Dankbarkeit!
Jetzt ziehen die meisten vermutlich ihre Stirn in Falten und denken sich „was soll das denn?“. Ja, das kann ich irgendwo gut nachvollziehen, aber es ist einfach tatsächlich so! Ich verspüre so unendlich viel Dankbarkeit!
Dankbarkeit wofür? Für so viel…

 

Dankbarkeit für die Erfahrung

Ich bin tatsächlich unendlich dankbar, die Erfahrung einer „kleinen Geburt“ gemacht haben zu dürfen.

So eine kleine Geburt ist wie eine sanfte Generalprobe: die Schmerzen sind da, aber weniger stark, als bei einer „großen Geburt“, man erlebt einmal den gesamten Prozess der Geburt, erlebt den Partner in dieser komplett neuen, fremden Situation, erlebt die Hebamme – und erlebt sich selbst!

Aber auch ganz unabhängig davon, dass ich es wie eine Generalprobe sehe, ist so eine kleine Geburt eine unvergessliche Erfahrung, die ich einfach nicht missen möchte. Allein die Tatsache, dass ich mich und meinen Partner zwei Mal in der Situation erleben durfte, ein Kind zu verlieren, hat mir SO viel gezeigt: über mich, darüber, dass ich solche Schicksalsschläge gut annehmen kann, dass ich sehr gut weiter im Vertrauen mit mir und der Welt leben kann.

Aber auch über meinen Partner und unsere Beziehung. Die beiden Fehlgeburten haben uns nochmal so viel näher zueinander gebracht, unseren Glauben in uns als Paar, aber auch in die Welt und das Universum so bestärkt!

Da kann ich einfach gar nicht anders, als unendlich dankbar zu sein!

 

Dankbarkeit für das Vertrauen in den eigenen Körper

Meine beiden Fehlgeburten haben mir so deutlich gezeigt, wie sehr ich in meinem Körper vertrauen kann.

Mein Körper hat ganz wunderbar von allein dafür gesorgt, dass zwei kleine Menschen, die nicht lebensfähig gewesen wären, ein andermal auf die Erde zurückkommen dürfen. Wie wunderbar ist das von meinem Körper? Ich finde ihn wirklich einfach sehr genial! Ich weiß, dass er sich um alles kümmert – wenn ein Kind bleibt, dann, weil es gut ist und wenn ein Kind geht, dann, weil es gut ist.

Mein Körper weiß das besser, als jeder Arzt es jemals wissen könnte. Ich habe bereits seit der ersten Fehlgeburt Mitte 2017 ein nochmal so viel engeres Verhältnis zu meinem Körper, nehme ihn so viel intensiver wahr und bin dafür einfach nur sehr dankbar!

 

Dankbarkeit dafür, zu wissen, dass alles immer seinen Sinn hat

Schon in der Nacht der Fehlgeburt haben mein Mann und ich gesagt „es hat alles seinen Sinn!“ Wir waren traurig, wir haben zusammen um den Verlust geweint, aber wir wussten, es ist alles richtig so wie es ist.

Und so ist auch! Ich bin so dankbar dafür, dass ich noch weitere sechs Monate ohne Baby hatte und alles, was ich in den letzten sechs Monaten erleben durfte, genauso erlebt habe! Ich bin so dankbar dafür, dass ich genau jetzt genau hier bin – und nirgendwo anders!

 

Dankbarkeit dafür, zu wissen, dass ich für mich selbst einstehen kann

Ja, der gängige Prozess in der Schwangerschaft ist es, dass Frau zum Arzt geht, ein Ultraschall gemacht wird und Frau sich dann alle vier Wochen immer wieder beim Arzt zur „Vorsorge“ vorstellt. Bei jeder vierten Schwangerschaft wird dann zwischen der 5. und der 12. Woche festgestellt, dass das Baby im Bauch nicht mehr lebt (ja, so häufig! Es ist wirklich etwas ganz Normales!), der Arzt schickt die Frau daraufhin ins Krankenhaus, die Frau wird dort ausgeschabt, das Rest-Material des Babys weggeworfen, die Frau nach Hause geschickt – und das war’s dann.

Klingt ziemlich brutal? Ja, ist es auch! Und so passiert es jeden Tag hunderte (oder mehr?) von Male in Deutschland! Ich habe mit sooooo vielen Frauen gesprochen, die es genauso erlebt haben – und je mehr Geschichten ich höre, desto dankbarer bin ich für meine eigene! Ich habe bei der ersten Fehlgeburt gegen den Willen meiner Frauenärztin gesagt, dass ich das allein mit meiner Hebamme kläre und nicht ins Krankenhaus gehen werde, und bei der zweiten Fehlgeburt wusste meine Frauenärztin nicht mal, dass ich schwanger bin, weil ich nur in Hebammen-Betreuung war.

Ich bin in beiden Fällen für mich selbst eingestanden und habe Verantwortung für meinen eigenen Körper übernommen. Ich habe mich geweigert, die Verantwortung an Männer in weißen Kitteln abzugeben. Und dafür bin ich unendlich dankbar! Denn letztendlich waren meine „kleinen Geburten“ dadurch wunderschöne, intensive Momente, die ich friedlicher Atmosphäre zusammen mit meinem Mann erleben durfte.

Und ja, ich bin dankbar! Für alles, was ich erfahren durfte, lernen durfte, auch wie ich andere durch meine eigenen Erfahrungen inspirieren durfte, was sich durch diese Erfahrung bisher alles ergeben hat, wie sich andere mir geöffnet haben, nachdem sie meine Geschichte gehört haben …

Und bin ich noch traurig? Um ehrlich zu sein (und das ist mir fast etwas unangenehm zuzugeben): nein! Wirklich kein bisschen. Ich bin DANK der Fehlgeburten zu so viel mehr Vertrauen zum Leben gekommen, da ist tatsächlich überhaupt keine Traurigkeit mehr da. Manchmal gehe ich zu dem Baum, unter dem wir unsere kleinen Babys begraben haben und ich umarme den Baum und alles was ich spüre ist tiefe, tiefe, reine Dankbarkeit!

Ich habe übrigens auch meinen Mann gefragt, wie es ihm jetzt geht, ein Jahr danach. Er meinte er fühlt sich einfach sehr gelassen, wenn er daran denkt. Das Thema ist jetzt bei ihm nicht so positiv emotional aufgeladen wie bei mir, aber auch nicht von Trauer geprägt. Er sagt, es ist eben einfach ein Teil der Geschichte und der gehört dazu, genauso wie das Lachen unserer Tochter, der schöne Tag zusammen im Grünen, aber auch die Beerdigung der Tante… es ist einfach alles das Leben und das ist auch gut so. So sieht er das. Zufrieden, entspannt, wie er eben so ist.

Ob es anders wäre, wenn ich nicht schwanger wäre, fragen sich jetzt vielleicht einige? Das kann ich natürlich nicht wissen, aber ich glaube nicht. Denn auch in den Monaten bevor ich schwanger wurde, ging es mir sehr gut mit der zweiten Fehlgeburt. Ich war dankbar für jedes Projekt das ich angehen konnte (was sonst nicht möglich gewesen wäre), dankbar für die intensive Zeit mit meiner Tochter, dankbar dafür, dass alles genau so ist, wie es ist.

Und wir haben auch schon Zukunfts-Pläne gemacht, in denen nur wir drei vorkamen, mein Mann, meine Tochter und ich. Und auch das war okay für uns. Aber es war trotz allem auch immer so, dass wir tief in uns wussten, dass wir am Ende drei Kinder haben werden – und vielleicht hat uns auch dieses Urvertrauen ermöglichst, dem Ganzen mit so viel Gelassenheit zu begegnen.

 

Gastartikel | Fehlgeburt – Ein Jahr danach

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